Zeitgeist:
Lebensstil
Übersicht
- Schneller leben
- Berufswunsch: Katzenberger
- Kennen Sie auch diese Herren mit Cowboy-Hüten?
- Verzicht? Nein, danke!
„Nach uns die Sintflut!“
- Zurück zur Natürlichkeit?
Timo Beil über den Trend zu mehr Haarwuchs - Dialoge
- Was ich an der heutigen Zeit absolut nicht mag ...
Ein kleiner Auszug - Drei-Tage-Bad
Timo Beil über ein zeitgeistiges Phänomen bei der Körperhygiene
Schneller leben
(Grafik: © Frank R. Bulla)
Ein Meister und sein Schüler im Dialog:
- „Was machst du, um dich zu entspannen?“ fragte der Schüler seinen buddhistischen Meister.
- „Nichts“, erwiderte der Meister. „Wenn ich gehe, gehe ich, wenn ich esse, esse ich, und wenn ich schlafe, schlafe ich.“
- „Das tun doch alle“, meinte der Schüler.
- „Eben nicht!“ antwortete der Meister.
Da hat der Meister wohl nicht unrecht. Vor allem heutzutage scheinen immer mehr Menschen die Devise „schneller leben“ zu verfolgen – und machen alles auf einmal.
Allein die Glotze lebt das den Menschen vor: Während einer Sendung wird unten Werbung für andere Sendungen eingeblendet, oder auf Nachrichtensendern laufen während der Berichterstattung mehrere sogenannten „Bauchbinden“ mit Schlagzeilen, Temperaturen, Börsenkursen – „schneller fernsehen“ heißt hier wohl die Devise. Und auch der Mensch hat sich vermeintlich zum Multitasking-Talent entwickelt: Er tut alles auf einmal: fernsehen, essen, mit dem Smartphone herumspielen, schlechte Kommunikation mit Anwesenden praktizieren ...
Das dargestellte Schriftzeichen ist übrigens das chinesische Wort für „Lebensstil“.
Berufswunsch: Katzenberger
(Foto: © Frank R. Bulla)
Man blondiere sich ordentlich, lasse sich die Brüste vergrößern, rede ein wenig kindisch-dümmlich daher, finde sich selbst unwiderstehlich, male sich bunt an, rasiere sich die Augenbrauen ab und ersetze diese durch eine gemalte Linie und lasse sich fortan möglichst oft von der Kamera begleiten, beispielsweise auch dann, wenn man gerade ein Kind bekommen hat ...
Verona Feldbusch (heute Verona Pooth) hatte auch mal so ähnlich angefangen – nur mit dem Unterschied, dass es Mutter Natur deutlich besser mit ihr gemeint hat, sie dabei zum Teil wirklich ein wenig witzig war, was ihr wohl in der Summe letztlich auch den deutlich größeren Erfolg beschert hat.
Kennen Sie auch diese Herren
mit Cowboy-Hüten?
(Abb.: N. N.)
Nun ja, manche Herren der Schöpfung – zumal in gesetztem Alter und / oder wenn die Haarpracht oberhalb des Bregens deutlich anfängt nachzulassen – hatten immer schon mal die Neigung, die empfindliche Blöße ihres Schädels zu bedecken; sei es nun, um größer, vornehmer oder auch nur cooler zu erscheinen. So haben sich die Hutmacher dieser Welt die unterschiedlichsten Deckel für die zahlreichen Töpfe ... äh ... Köpfe einfallen lassen.
In jüngerer Zeit trifft man hierzulande immer häufiger Herren an, die aufgrund ihrer Kopfbedeckung irgendwie nicht so recht in die Umgebung passen, weil man das Outfit eher in einer Umgebung wie einer Prärie vermutet und die Herren selbst eher auf einem Pferd reitend, eine „Marlboro im Mundwinkel“ ... Da fühlt man sich in die Kindheit versetzt, da man sich an Fasching noch einen Pistolengürtel umschnallte, sich einen Sheriff-Stern anheftete und breitbeinig-schussbereit durch die Faschings-Deko marschierte. Man fragt sich, wenn einem solche cowboy-behüteten Kerle über den Weg laufen, ob die sich in ihrer Kindheit wohl nicht so recht an Fasching haben ausleben können oder ob das nur eine Art Kompensation ist aufgrund nachlassenden Testosteronspiegels?
Wie würde so ein Mannsbild wohl reagieren, wenn ihm urplötzlich ein Artgenosse gegenüberstünde mit der für Western üblichen Aufforderung: „Zieh!“? Würde ihm vor Schreck lediglich die Kippe aus den Mundwinkeln fallen? Oder würde er geschärften Blickes seinem Feindbild gegenüberstehen, jede kleinste Zuckung in dessen Augen und jeden Zehntelmillimeter Bewegung an dessen rechtem Zeigefinger wahrnehmen, um im richtigen Moment zur Waffe zu greifen – nicht zu früh: das wäre uncool und feige, aber auch nicht zu spät: das wäre garantiert tödlich. Oder würde ihm im letzten Augenblick doch noch einfallen, dass er sich hier nicht in der Prärie, sondern bestenfalls in einer Service-Wüste befindet und dabei völlig unbewaffnet ist?
Verzicht? Nein, danke!
„Nach uns die Sintflut!“
Wohin man auch schaut – ob auf den Import von Lebensmitteln aus fernen Ländern, ob auf das Abholzen von Regenwald, ob auf die Wirtschaftspolitik, ob auf den Kauf von SUVs, ob auf die Zunahme von Auslandsflügen oder oder oder ...: Die Devise scheint zu lauten: „Nach uns die Sintflut!“
Das Schlimme ist ja, dass wir hierzulande im Wohlstand leben und uns immer mehr gönnen, was uns in gewisser Weise abstumpfen lässt, sodass wir nach immer mehr verlangen. Die Menschen werden dadurch immer fetter, die Kleiderschränke immer voller (wobei das, was man tatsächlich anzieht, prozentual immer weniger wird). Zum Ankurbeln der Wirtschaft steigt die Obsoleszenz, sodass Produkte immer schneller weggeworfen werden müssen (vieles davon ist bereits so hergestellt, dass es nicht mehr repariert, sondern nur noch entsorgt werden kann).
Die Wirtschaft bestimmt inzwischen dermaßen unser Leben, dass wir uns unser eigenes Grab schaufeln. Denn wer will schon all die Bequemlichkeiten aufgeben, die wir uns im Laufe der Zeit geschaffen haben!? Letztlich ermuntern wir die Wirtschaft noch, nicht nur so weiterzumachen, sondern noch weiter zuzulegen, indem wir nicht von unserer „Geiz ist geil“-Mentalität lassen können. Denn wenn die Wirtschaft ob dieser unserer Einstellung noch Gewinne erzielen will, muss sie die Quantität erhöhen – die Kehrseite ist dann aber oft auch, dass die Qualität darunter leidet, wo wir u. a. wieder beim Aspekt „Obsoleszenz“ wären ...
So jedenfalls kommen wir aus diesem Teufelskreis absolut nicht raus. Die Corona-Krise, wo viele Vorgänge heruntergefahren worden sind, hätte uns auf einen besseren Weg bringen können, aber ich habe wenig Hoffnung, dass die Menschheit die Chance nachhaltig nutzen wird.
Zurück zur Natürlichkeit?
Timo Beil über den Trend zu mehr Haarwuchs
(Foto: © 9EkieraM1)
Dass wir zusehends waldschratmäßigen Zeiten entgegengehen, hat sich schon im Laufe der vergangenen Jahre abgezeichnet. Frisuren-Trends – in diesem Falle Trends bei der Bartmode – erkennen wir immer recht schnell anhand von Protagonistern in der TV-Werbung: Ob es nun der barfüßige Schönling ist, der im Auftrag eines Internet-Portals über die Motorhauben und Dächer der Fahrzeuge einer Autoschlange läuft, oder der wortspielerisch bezeichnete „Tech Nick“ (Foto), der mit Tanzbärfigur durch die Hallen eines Medien-Supermarktes tapst, oder jener Kasper, der monatelang auf „Kabel 1“ in den Werbepausen den Hampelmann mimt und der auch in mehreren Werbe-Spots in etwas verschrobener Weise in Erscheinung tritt ... Die zeitgemäße Barttracht des Mannes hat Gesichter bekommen.
Und was Mode ist – beziehungsweise: was einem als Mode-Trend vorgegaukelt wird –, findet gemeinhin viele Anhänger. Und schon fallen religiöse Extremisten aus dem Morgenland oder aus den Reihen der deutschen Salafisten nicht mehr auf wie vor Jahren noch. Es ist halt alles im Wandel begriffen. Selbst viele Neo-Nazis – früher bestens zu erkennen an Glatzen und Springerstiefeln – haben sich zu Wölfen im Schafspelz entwickelt. Haare jedenfalls scheinen wieder voll im Trend zu liegen.
Leider – oder vielleicht sogar zum Glück – bekommt man nicht so oft zu sehen, wie sich der haarige Wandel an Stellen niederschlägt, die einem nicht gleich ins Auge springen: unter den Armen und unterhalb der Gürtlelinie. Womöglich kehrt sich die Tendenz zu komplettem Kahlschlag und damit verbundener zunehmender Hygiene jetzt in ihr Gegenteil um. Man ahnt schon, dass künftig wieder mit anderen Gerüchen zu rechnen ist. Da aber wenigstens die Deodorant-Hersteller nicht hinterm Mond leben, wird das Problem rechtzeitg erkannt und gebannt werden können.
Der Trend zu mehr Haar könnte unter Umständen auch manche Frau sehr erfreuen, die regelmäßig schmerzhafte, zumindest aber aufwändige Prozeduren über sich ergehen lassen muss, um dem Haarwachstum – vornehmlich an Beinen und Bikini-Zone – temporär Einhalt zu gebieten.
Eine Hoffnung immerhin besteht im Zuge des Trends zu mehr Haar: dass vielleicht auch mal wieder künstliche Figuren – wie dereinst die Katzenberger in Hinblick auf ihre fehlende Gesichtsbehaarung – sich auf natürliche Haarpracht besinnen und die Augenbrauen ein wenig sprießen lassen, anstatt sie abzurasieren und durch eine gemalte Linie zu ersetzen. Vielleicht verschwinden dann auch bald wieder Ersatzteile wie Silikonkissen und Glättungshilfen, wie das Botulinumtoxin (kurz: Botox), von der Bildfläche, und „Photoshop“ entwickelt ein Add-on für Effekte namens „Falten erzeugen“ oder „entglätten“.
* „Du siehst besser aus, wenn du keine Brille trägst.“ |
Was ich an der heutigen Zeit
absolut nicht mag ...
Ein kleiner Auszug
Wenn man früher Durst und Hunger hatte, trank man etwas zu Hause oder kehrte, wenn man unterwegs war, in ein Lokal ein oder holte sich etwas vom Imbiss oder vom Kiosk. Das hatte einen guten Grund: Es war Teil einer guten Erziehung, dass man auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in öffentlichen Gebäuden weder trank noch aß, ist es doch im Grunde genommen eine Zumutung, wenn fremde Leute ihre Tüte mit Kartoffel-Chips leeren oder ihren „Big Mac“ direkt neben einem verspeisen oder an ihrem „Coffee to go“ schlürfen. Das ist einfach unästhetisch – optisch, akustisch und von der Geruchsentwicklung her.
Deswegen waren wohl auch immer schon Leute verpönt, die mit einer geöffneten Bierflasche in der Hand durch die Innenstadt marschierten (ein bisschen ist das auch heute noch so, was aber wohl lediglich daran liegt, dass hier zudem noch Promille-Wert und soziale Komponente eine Rolle spielen). Jedenfalls waren und sind Alkohliker in der Öffentlichkeit größtenteils eher etwas für die Schublade „asozial“, zumal sie ein denkbar schlechtes Vorbild vor allem auch für Heranwachsende abgeben.
Wenn man früher telefoniert hat, tat man dies dezent zu Hause oder in einer Telefonzelle. Im Zeitalter des Mobiltelefons wird gnadenlos überall telefoniert, ungeachtet dessen, dass man damit womöglich anderen Leuten furchtbar auf die Nerven geht und – vielleicht auch ungewollt – anderen Einblicke in die eigene Privatsphäre gewährt. An dieser Stelle mal ganz zu schweigen von den zahlreichen Smombies, die mit ihrem Tun die visuelle Kommunikation – vor allem auch im Straßenverkehr – aushebeln und Mitmenschen auf allen Verkehrswegen regelrecht gefährden.
Ich denke, ich muss das alles nicht haben. Das sind alles Situationen, wo ich mir etwas weniger von der täglichen Dosis Mensch wünsche und durchaus denke: Früher war zwar nicht alles besser, aber das oben Erwähnte auf jeden Fall!
Drei-Tage-Bad
Timo Beil über ein zeitgeistiges Phänomen bei der Körperhygiene
(Foto: N. N.)
Immer öfter hört man heutzutage vom Drei-Tag-Bad. Aber was genau hat es mit dem Drei-Tage-Bad auf sich? So sehr man auch sucht: Nirgends lässt sich nachlesen – ja, nicht mal bei „Google“! –, wie diese spezielle Körperreinigung vonstatten geht.
- Bedeutet es, dass man nur alle drei Tage baden soll oder dass man drei Tage lang baden soll? Und falls Letzteres zutrifft: einmal in der Woche, einmal im Monat oder einmal im Jahr?
- Wie stark sollte die Badewanne gefüllt sein?
- Wie hoch ist die optimale Temperatur des Badewassers?
- Ist es sinnvoll, Badezusätze zu verwenden? (Falls ja: Sollten diese biologisch abbaubar sein?)
- In jüngster Zeit ist immer häufiger die Rede von speziellen Pflegemitteln für das Drei-Tage-Bad – vornehmlich für den Herren. Wäre das überhaupt eine Option?
- Ist der Einsatz eines Quietsche-Entchens obligatorisch, um eventuell auftretende Langeweile im Keime zu ersticken?
- Soll man das Drei-Tage-Bad allein oder mit Partner/in vollziehen?
- Oder soll man es gar praktizieren, wie es in früheren Zeiten mal zu Gunsten der Wasserersparnis einmal in der Woche am Samstag praktiziert worden ist? Erst das Geschirr, dann Mama, dann Papa, dann die Kinder und dann de Hund – das Ganze mit einer einzigen Wasserfüllung, dafür aber drei Tage lang ...
- Oder ist sogar ein Happening mit Freunden denkbar – sofern eine ausreichend große Wanne vorhanden ist; und falls die Wanne nicht groß genug ist: Lässt sich hierfür auch die städtische Badeanstalt nutzen?
- Ist es denkbar, auch Hund oder Katze eines solchen Bades zu unterziehen oder gar die Forelle, bevor sie als „Forelle blau“ beim Festtagsmenü kredenzt wird?
Fragen über Fragen ...